Das Puschlav im Zeichen der Zuckerbäcker

Zu Hunderten wanderten sie zwischen der Mitte des 18. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Suche nach wirtschaftlichem Erfolg in viele Länder Europas aus. Viele Puschlaver und ihre Familien brachten das Handwerk der Zuckerbäcker in der Fremde zum Blühen. Jetzt sind sie zurück! Eine Sonderausstellung widmet sich der Thematik – passend dazu gibt es ein reichhaltiges Rahmenprogramm.

Es ist ein Bündner Phänomen und doch gehören die Puschalver zu den Pionieren und zu den Erfolgreichsten dieser besonderen Form von Auswanderung. Ohne die Zuckerbäcker sähe der Borgo von Poschiavo heute anders aus: Heimgekehrte Emigranten bauten mit ihrem im Ausland erworbenen Geld elegante Palazzi, brachten neue Denkweisen zurück in ihre Heimat und verwandelten das bescheidene Bergdorf in ein kleines Alpenstädtchen.

Das grosse Netzwerk
Fast in jeder Puschlaver Familiengeschichte sind Spuren der Emigration zu finden. Und die Zuckerbäcker beeinflussten sowohl ihre Zielorte als auch ihre Heimat in ganz erheblichem Masse. In der Fremde machten sie neue Formen des kulinarischen Genusses und des gesellschaftlichen Austauschs in ihren Kaffeehäusern populär. Massgebend war der Austausch mit den Schicksalsgenossen aus dem Bergell und dem Engadin: Sie kannten sich, entwickelten gemeinsam das Geschäft weiter, teilten Rezepte und Erfahrungen und nicht selten heirateten sie untereinander. Auch ein implizites Konkurrenzverbot galt: Man vermied, zu viele Bündner Lokale am gleichen Ort zu eröffnen, sogar Länder wurden nach Tälern aufgeteilt. So waren die Puschlaver in Frankreich und noch ausgeprägter in Spanien die unangefochtenen Platzhirsche mit über hundert Cafés in ebenso vielen Städten.

Die Kaffeehäuser boten einer wachsenden und zahlungskräftigen Bürgerschicht neue Möglichkeiten der Begegnung und des gesellschaftlichen und politischen Austauschs. Die Puschlaver verstanden es geschickt, diese Märkte zu erschliessen und exklusive Angebote zu entwickeln.

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Die Rückkehr
Zurück in der in der Heimat pflegten sie einen neuen, damals ungewohnten urbanen Lebensstil, und sie hinterliessen viele heute noch prägende architektonische Spuren. Man nannte diesen Lebensstil «Aristokratie der weissen Schürze».

Motiv der Auswanderung war zu Beginn die wirtschaftliche Not, aber nur mit Wissen und Spürsinn für das Geschäft konnte das Modell über acht Generationen florieren.

Dies alles motivierte die Stiftung Musei Valposchiavo zusammen mit einer Reihe weiterer Institutionen, dieser «süssen Emigration» eine Sonderausstellung sowie verschiedene weitere Anlässe zu widmen. 2024 wird damit gewissermassen zum Jahr der grossen Heimkehr der Zuckerbäcker von einst.

Die Ausstellung
Die Ausstellung «Zuckerbäcker – Puschlaver Abenteuer in Europa», welche im Palazzo de Bassus-Mengotti in Poschiavo gezeigt wird, widmet sich der Arbeit im Ausland und ihrer Heimkehr in die Heimat. Ein bewährtes Team unter der Leitung des Historikers Daniele Papacella hat die Zutaten zusammengestellt und fast hundert zum Teil bisher nie gezeigte Objekte aus der Sammlung des Museums und aus den Schränken der Erben zusammengetragen. Sie erzählt Geschichte und Geschichten rund um die Puschlaver Zuckerbäcker.

Um das Erlebnis für die Besucherinnen und Besucher fassbarer zu machen, wird ein Teil des Museums im Palazzo de Bassus-Mengotti zum «Café Suizo». Man kann dort auch einen Kaffee geniessen, wie die Gäste in den vielen «Puschlaver Kaffees» von damals. Dazu gibt’s Süssigkeiten, die extra für das Zuckerbäcker-Jahr aufgrund der früheren Rezepturen gebacken werden.

Die Ausstellung und die anderen Anlässe wenden sich sowohl an die einheimische Bevölkerung als auch an die Feriengäste. Einheimische sowie die weit verstreuten Nachfahren der Zuckerbäcker werden eingeladen, ihre Familiengeschichte einzubringen und eine interaktive Europakarte mit Informationen und Fotos zu bereichern. Die Geschichte der Zuckerbäcker ist noch nicht zu Ende geschrieben, die Organisatoren erhoffen sich neue Details zu Destinationen und Familienschicksale.

Beteiligte Organisationen
Folgende Institutionen beteiligen sich an der Realisierung der Reihe über die Zuckerbäcker: Fondazione Musei Valposchiavo; Valposchiavo Turismo; iSTORIA – Archivi fotografici Valposchiavo; Società Storica Val Poschiavo; Art Crott; Pro Grigioni Italiano; Compagnia inauDITA; Viva la pasta, Poschiavo.

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Herzlichen Dank an unsere Sponsoren!
Nur dank der ideellen und finanziellen Unterstützung sowie materieller Hilfe unserer Sponsoren wurden Organisation und Durchführung dieser Ausstellung und der Veranstaltungen über die Zuckerbäcker überhaupt erst möglich. Herzlichen Dank! Wir dürfen auf die Mithilfe folgender Institutionen zählen: Kulturförderung Gemeinde Poschiavo, Kulturförderung Graubünden, Coop Kultur, InfoRLife SA, Repower / Unsere Energie für Sie, Graubündner Kantonalbank, Viva la pasta (Poschiavo), Café Badilatti SA (Zuoz), SwissDomestica (Brusio), CafetierSuisse, Stiftung Ernst Göhner, Stiftung Dr. Martin Othmar Winterhalter, Oertli-Stiftung, Stiftung Stavros S. Niarchos, Willi Muntwyler-Stiftung, Stiftung Jacques Bischofberger.

Entdecke das Programm “Pasticcieri-Zuckerbäcker”

Das Waschbecken

Nachdem das Wasser im restaurierten Gerinne kanalisiert wurde, erreicht es gurgelnd und beinahe versteckt das Waschbecken. Hier steht es still, verzaubert vom antiken und geheimen ...